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RZ-Online Artikelarchiv vom 27.09.2004

"Ibernatierlische" Mächte am Werk

Theater am Wiesensee gab in Pottum "Det goldisch Herz vum Westerwald"

Was ist nun "Det goldisch Herz vum Westerwald"? Die Auflösung wird nicht verraten. Es könnte aber die gleichnamige Komödie von Annegret Held und Kai Göbel sein, die vom "Theater am Wiesensee" in Pottum jetzt uraufgeführt wurde.

POTTUM. Geistererscheinungen sind schon in den alten Sagen des Westerwaldes üblich gewesen. In Pottum materialisierten sich beim "Theater am Wiesensee" die "ibernatierlischen" Mächte nun aufs Neue. Mit viel Schwung und ohne Scheu vor originellen Einfällen kam das Stück "Det goldisch Herz vum Westerwald" von Annegret Held und Kai Göbel gleich zur Sache. Die Figuren und ihre Darsteller waren den Besuchern, die den frisch renovierten Saal des Gasthauses Doll ausfüllten, noch bestens bekannt. Kein Wunder, denn es handelt sich bereits um das siebte Mundartstück des Autorenduos.

Die Handlung spielt vor der Gartenlaube des arbeitsunlustigen Saufkopps Albert (Peter Nilges). Ihm widerfährt eine unheimliche Begegnung: Im Geleit von lispelnden Feen (Ina Bresser, Elisa Held und Anna-Lena Schilling) und einem dunkelhäutigen Engel (Bernard Jones), der später seine Federn für die Liebe lassen wird, steht der längst verblichene Kamerad Ferdinand (Norbert Bresser) vor seinem alten Zechbruder und verlangt nach Erlösung. Albert hat den Auftrag "Det goldisch Herz vum Westerwald" zu finden, um Ferdinand die Eintrittskarte zum Himmel zu verschaffen. Teufelin Luzy (Carina Dapprich) hat derweil berechtigte Hoffnung auf dessen Fremdenlegionärsseele. Der Kampf zwischen Gut und Böse beginnt.

Dabei sind die angeheuerten Geisterjäger (Andreas Weber, Thomas Schenk, Tamara Kohlenbeck) Albert nicht besonders nützlich. Doch Gott sei Dank gibt es das Medium Morgana (Silke Theis) und zwei fleißige Hausfrauen (Christa Schilling und Jutta Deller) aus der Nachbarschaft. Diese dramatische Handlung bettet sich in ein beiläufig entstehendes Geflecht von Nebenhandlungen: Das entzückende Rentnerpärchen Obba Alwis (Kai Göbel) und Liesel (Isa Schilling) haben ihre ganz privaten Probleme mit - ja mit einer Stuhlprobe. Außerdem gibt es noch eine Frisörin (Dunja Kohlenbeck), die einen Mann sucht. Und sehr romantisch ist die Liebe zwischen der süßen Lillie (Jeanette Deller) und Engel Angelo.

Es war fast wie im Kino durch die musikalische Untermalung und anderen Spezialeffekten. Mit Schwefeldampf und Orgelklängen steigt beispielsweise der sexy Teufel (ein reimender Mephisto) aus der Unterwelt empor, und Grillen zirpen oder Amseln zwitschern je nach Tageszeit. Ein Diaprojektor leistet Hilfe bei Morganas Visionen...

Langatmig ist das gut durchkonzipierte Stück keinen Moment, und trotz der zahlreichen originellen Einfälle wirkt es nicht abgedreht. Alles fügt sich ineinander. Wieder einmal ist jede einzelne Figur komisch, hat aber Herz und rührt das Herz der Zuschauer. Viele hinreißende Szenen reihen sich in den fünf Akten der Komödie aneinander: Der Kampf zwischen Engel und Teufel, ein Duett, bei dem "Sommernooscht en Bloiteduft" (ein Gedicht des verstorbenen Pottumers Alois Höhn) erklingt, eine Halloween-Party (passend zur Jahreszeit), die Zaubernummern der etwas dappischen und eingebildeten Morgana - immer wieder zückten die Zuschauer ihre Taschentücher, um tränennasse Augen zu trocknen.

Lachen und Applaus dankte den Darstellern, die mit "Leidenschaft und Inbrunst" spielten. Annegret Held hatte zu Anfang das Publikum und den örtlichen "Deichgrafen", Ortsbürgermeister Klaus Weil, begrüßt. Norbert Bresser dankte den zahlreichen Helfern, unter anderem Maria Becker, die viele Kostüme genäht hatte, und Astrid Espanion, der Souffleuse.

Was nun "det goldisch Herz" ist, darüber kann man simulieern oder es in folgenden Aufführungen erfahren: 2., 9., 16. Oktober, am 6., 20., 27. November sowie am 4. Dezember sind jeweils um 20 Uhr Aufführungen im Saalbau Doll in Pottum. Kartenreservierung täglich von 17.30 bis 19 Uhr, Telefon: 02664/9972966. Tatjana Steindorf

http://rhein-zeitung.de/04/09/27/F/00000092.html vom 27.09.2004 © Rhein-Zeitung / RZ-Online GmbH · 56073 Koblenz